Eine Reihe von Behörden organisieren ihre Informationen in einer klassischen Ordnungsform, heutzutage meist auf einer Festplatte oder sogar in einem Netzwerk mit einer festgelegten Ordnerstruktur. Andere verwenden ein Dokumentenverwaltungssystem (document management system - DMS), das auf die Arbeitsprozesse der Behörde abgestimmt ist. Was muss man über solche Systeme wissen?
- Was ist ein Dokumentenverwaltungssystem?
- Was zeichnet ein gutes Dokumentenverwaltungssystem aus?
- Welche Vorteile bietet ein Dokumentenverwaltungssystem?
- Welche Abwägungen müssen vorgenommen werden?
- Welche Arten von Dokumentenverwaltungssystemen gibt es?
- Wer ist bei der Einführung eines Dokumentenverwaltungssystems verantwortlich und betroffen?
- Ablaufplan für die Einführung eines Dokumentenverwaltungssystems
- Wie lange dauert die Einführung eines Dokumentenverwaltungssystems?
- Welche Auswirkungen hat ein Dokumentenverwaltungssystem auf die Verwaltung und Bewertung der Archive?
Was ist ein Dokumentenverwaltungssystem?
Ein Dokumentenverwaltungssystem (Engl. document management system (DMS)) ist eine Anwendung zur Benutzung und Verwaltung von elektronischen Dokumenten und gegebenenfalls auch Papierdokumenten, die in einer Organisation gehandhabt werden. Als Zugangspunkt zu den verfügbaren Informationen erleichtert das System die Zusammenarbeit und übernimmt bestimmte Vorgänge, die auch in einem klassischen Ordnungssystem geschehen müssen.
Ein Dokumentenverwaltungssystem dient vor allem der Verwaltung von dynamischen Archiven (Registraturschriftgut) und eignet sich nicht zwangsläufig als records management application (RMA), oder als Dienst für elektronische Archivierung, mit dem abgeschlossene Unterlagen (semi-dynamische und statische Archive) vor Änderungen bewahrt werden.
Eine Anwendung, in der die Eigenschaften eines DMS und einer RMA kombiniert sind, nennt man Electronic Document and Records Management System (EDRMS).
Was zeichnet ein gutes Dokumentenverwaltungssystem aus?
- Es zentralisiert die Unterlagen, die in der Organisation gehandhabt und mittels unterschiedlicher Programme (Bürosoftware, E-Mail etc.) angelegt oder empfangen werden.
- Es versieht jedes Aktenstück mit einer einzigartigen Identifikationsnummer.
- Es ist in die anderen Systeme und Arbeitsvorgänge der Organisation integriert.
- Es ermöglicht die gemeinsame Bearbeitung von Unterlagen und die Aktualisierung des Bearbeitungsstatus im Laufe der Arbeitsvorgänge.
- Es hilft den Benutzern dabei, Unterlagen an der richtigen Stelle im Ordnungsplan der Organisation abzuspeichern oder führt dies automatisch aus.
- Es bietet die Möglichkeit, Metadaten aus Dateien zu extrahieren, ihnen Metadaten hinzuzufügen oder sie zu ändern.
- Dateien können einschließlich ihrer Metadaten rasch geladen oder exportiert werden.
Bei der Ausarbeitung eines Systems oder bei einer Ausschreibung für ein System ist es ratsam, sich an den einschlägigen Normen zu orientieren:
- ISO 15489 für das allgemeine Verständnis der Grundprinzipien einer fachgerechten Schriftgutverwaltung (records management).
- MoReq 2010 und/oder ISO 16175, um die für das zu schaffende System relevanten Funktionalitäten festzulegen.
Welche Vorteile bietet ein Dokumentenverwaltungssystem?
- Sowohl die Arbeitslast für die Benutzer und als auch die Wahrscheinlichkeit, beim Speichern, Benennen, Verschieben, Teilen oder Bearbeiten von Unterlagen Fehler zu begehen, sind geringer als in einer klassischen Ordnungsweise.
- Das System bietet einen besseren Überblick über die verfügbaren Informationen als ein klassisches Ordnungssystem.
- Spezifische Informationen können schneller und einfacher gefunden werden.
- Informationen gehen nicht verloren, wodurch die Organisation ihrer Rechenschaftspflicht besser nachkommen kann.
- Der Informationsfluss wird verbessert, sodass Dritte ihre Informationen im Prinzip nur einmal liefern müssen.
Welche Abwägungen müssen vorgenommen werden?
- Ein Dokumentenverwaltungssystem kann mit hohen Kosten verbunden sein.
- Die Umsetzung kostet Zeit und Geduld.
- Mitarbeiter müssen geschult werden und motiviert sein, den Umgang mit dem neuen System zu erlernen.
- Zu einem gewissen Maß wird die Organisation hier abhängig von einem bestimmten Software- bzw. Dienstleistungsanbieter.
- Dokumentenverwaltungssysteme sind nicht unbedingt kompatibel mit anderen Anwendungen (von anderen Unternehmen).
Es kommt also darauf an, die Kosten und Nutzen des Angebots eines Zulieferers abzuwägen und den Vertrag gut auszuhandeln, oder zumindest gründlich zu begutachten: Wo werden die Daten gespeichert, kann der Vertrag einfach aufgekündigt werden, steht ein Helpdesk permanent zur Verfügung etc. (Siehe auch die Checklist for Cloud Service Contracts von InterPARES für weitere Hilfe.)
Welche Arten von Dokumentenverwaltungssystemen gibt es?
Die Eigenschaften von Dokumentenverwaltungssysteme überschneiden sich häufig mit denen von Archivverwaltungsanwendungen, Cloud-Software, Lösungen für gemeinsame Bearbeitung von Dokumenten und andere Anwendungen.
SharePoint von Microsoft ist beispielsweise kein Dokumentenverwaltungssystem im engeren Sinne, weist aber verschiedene Eigenschaften eines DMS auf, wie etwa Versionsverwaltung.
Die Website Capterra.be (gesponsorter Inhalt) kann bei der Wahl der geeigneten Software für die Ansprüche der Organisation helfen. Die Definition eines DMS ist auf dieser Website sehr breit ausgelegt.
Wer ist bei der Einführung eines Dokumentenverwaltungssystems verantwortlich und betroffen?
Um einen erfolgreichen Umstieg auf ein (neues) Dokumentenverwaltungssystem zu ermöglichen, muss die gesamte Organisation einbezogen werden:
- Der Archiv- oder Informationsverantwortliche prüft die Bedürfnisse der Organisation, bespricht sie mit dem ICT-Dienst und begleitet die Organisation durch die verschiedenen Schritte der Umstellung. Hierbei muss der Verantwortliche ein klares Bild der Informationsflüsse innerhalb der Organisation und der Arbeitsweise des ICT-Dienstes haben. Erfahrung in Projektmanagement und gute Beziehungen zum Personal sind ebenfalls von Nutzen.
- Der ICT-Dienst verfügt über die nötige Fachkenntnis für den Bau oder die Konfiguration des Systems und für die Integration in vorhandene Systeme der Organisation.
- Die Direktion muss Entscheidungen treffen und folglich von Beginn an über die verschiedenen verfügbaren Optionen einschließlich ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile informiert sein.
- Außerdem müssen alle Mitarbeiter der Organisation regelmäßig informiert und konsultiert werden, da sie es sind, die das System schlussendlich benutzen.
Ablaufplan für die Einführung eines Dokumentenverwaltungssystems
Dieser Vorgang wird üblicherweise vom Archiv- oder Informationsverantwortlichen der Organisation beaufsichtigt. Falls die entsprechenden Kompetenzen hausintern nicht vorhanden sind, kann das Projekt einem Fachberater anvertraut werden.
- Planung
Einen Ablaufplan und einen Zeitplan erstellen. Falls die Organisation über eine feste Projektmanagement-Methode verfügt, kann diese angewendet werden. So sind die Mitarbeiter bereits mit der Herangehensweise vertraut.
- Bewertung der aktuellen Situation
Zunächst gilt es, Folgendes zu analysieren: die derzeit gehandhabte Politik in der Sache, die Anweisungen an die Mitarbeiter in Bezug auf die Archivverwaltung, übliche Praktiken, relevante Gesetzgebungen, die benutzte Software, insbesondere wie sie verwendet wird und wer sie benutzt, sowie das Zusammenspiel mit anderen Software-Lösungen und Mängel im aktuellen System.
- Geschäftsplanung für die Direktion
Der Direktion, die die nächste Phase des Projekts billigen muss, wird eine Kosten-Nutzen-Analyse des Projekts vorgelegt, sowie ein Zeitplan, eine Risikoanalyse und eine grobe Schätzung der Kosten.
- Die Mitarbeiter informieren
Bei einer Versammlung mit allen Mitarbeitern wird das Vorhaben erläutert und eventuelle Bedenken können direkt angesprochen und ausgeräumt werden, indem erklärt wird, dass auf allen Ebenen Rücksprache gehalten und informiert wird und dass die nötigen Weiterbildungen vorgesehen sind.
- Funktionelle Analyse
Die technischen und funktionellen Anforderungen, die das Dokumentenverwaltungssystem erfüllen muss, gilt es gründlich zu analysieren, auf der Grundlage von Untersuchungen der Best Practices, von Gesprächen mit Mitarbeitern in relevanten Positionen und/oder einer Befragung des gesamten Personals. Die MoSCoW-Priorisierung kann angewendet werden, um den verschiedenen Eigenschaften des Systems unterschiedliche Prioritäten zu geben: ‘must haves’, ‘should haves’, ‘could haves’ und ‘won’t haves’.
In dieser Phase des Projekts kann auch untersucht werden, welche Software auf dem Markt verfügbar ist, die die Anforderungen erfüllt, oder ob hausintern ein eigenes System entwickelt werden muss.
- Beratung mit dem ICT-Dienst
Die funktionelle Analyse ist mit dem ICT-Dienst zu besprechen, der angibt, was umsetzbar ist und was nicht. Die Bedürfnisse der Benutzer müssen hierbei im Mittelpunkt stehen. Die Präferenzen des ICT-Dienstes sollen bei der Entscheidungsfindung nicht unbedingt ausschlaggebend sein.
- Ausarbeitung eines Entwurfs für die Direktion (und andere Mitarbeiter)
Nachdem der Direktion Entwürfe verschiedener Szenarien vorgelegt wurden, kann sie anhand der Schlussfolgerungen aus den Gesprächen mit dem ICT-Dienst eine Wahl treffen: Welche Software, welche Version und zu welchem Preis. Mittels Einwilligung der Direktion können auch die anderen Personalmitglieder zu Rate gezogen werden. Oder es kann zu diesem Zeitpunkt eine Informationsveranstaltung für das Personal organisiert werden.
- Die Umsetzung vorbereiten
Der konkrete Umstieg auf das neue System und die damit verbundenen Erfordernisse müssen geplant werden. Welche Software muss gekauft werden? Auf welchem Wege? Welche vorhandene Software, Hardware und Einstellungen müssen angepasst werden? Wie und von wem? Wie muss die neue Software konfiguriert werden? Wie werden die Daten vom alten zum neuen System migriert? Welche Probleme sind zu erwarten? Muss der Aktenplan angepasst werden?
- Ankauf der Software
Der ICT-Dienst kauft eine Lizenz oder eine Ausschreibung wird veröffentlicht.
- Konfiguration der Software
Der ICT-Dienst installiert die ausgewählte Anwendung und konfiguriert sie.
- Migration der Daten
Bei der Migration der Dateien oder der Integration des Systems in die Arbeitsprozesse treten wahrscheinlich Probleme auf. Für die Behebung muss ausreichend Zeit eingeplant werden.
- Das System testen
Sicherstellen, dass alle funktionellen Anforderungen tatsächlich erfüllt werden (außer diejenigen, die bewusst ausgelassen wurden). In dieser Phase können alle Mitarbeiter als Testbenutzer fungieren.
- Weiterbildung
Die Benutzer müssen vor der Inbetriebnahme des Systems weitergebildet werden, damit sie wissen, was sie erwartet. Dies ist auch die letzte Gelegenheit, Rückmeldungen zur Konfiguration des Systems zu geben.
- Inbetriebnahme des Systems
Es muss sichergestellt werden, dass den Mitarbeitern bei Fragen oder Problemen zeitnah geholfen wird.
- Nachverfolgung
Die Nachverfolgung des Projekts muss geplant und veranschlagt werden: Unterstützung für die Benutzer, Einholen und Bearbeiten von Feedback, Weiterbildungen für zukünftiges Personal, Software-Updates etc.
Wie lange dauert die Einführung eines Dokumentenverwaltungssystems?
Dies hängt in hohem Maße von der Größenordnung und den Mitteln der Organisation sowie von der Bereitwilligkeit der Beteiligten ab.
In der Regel erstreckt sich diese Art von Projekt von den vorbereitenden Studien bis hin zur Lieferung über mehrere Jahre.
Welche Auswirkungen hat ein Dokumentenverwaltungssystem auf die Verwaltung und Bewertung der Archive?
Bei der Bewertung und Aussonderung von Archivalien wird ihr historischer Wert begutachtet. Das Bewertungsurteil ist nicht abhängig von Form und System, in denen die Informationen gespeichert sind. Aussonderungslisten enthalten daher keine Angaben zu den Formaten oder Dokumentenverwaltungssystemen, die eine Organisation verwendet, die Bewertungsregeln gelten jedoch gleichermaßen für die Dokumente in diesen Systemen.
Dokumentenverwaltungssysteme können bei der Bewertung von Archivgut von Nutzen sein, wenn in ihnen Aufbewahrungsfristen und Endbestimmungen von Dokumenten als Metadaten gespeichert sind. Bestimmte Systeme bieten ferner Funktionen für die Verwaltung des Lebenszyklus von Dokumenten, wie z.B. Aufbewahrungsbezeichnungen und Aufbewahrungsrichtlinien. Einem Programm darf niemals ermöglicht werden, automatisch und ohne Genehmigung des Informationsverantwortlichen Informationen zu vernichten.
Dokumentenverwaltungssysteme können so ausgewählt oder programmiert werden, dass sie den Informationsverantwortlichen beim Anlegen von langlebigen Aufbewahrungskopien von Dateien in anfälligen Formaten und beim Überwachen der Integrität von Dokumenten unterstützen. (Dies sind unter anderem Anforderungen an qualifizierte Dienste für elektronische Archivierung.)