Am 2. April 1949 wurde dem Hasselter General Paul Bolle die Sonderverwaltung des deutsch-belgischen Grenzstreifens übertragen. Bald wurde diese Verwaltungszone im Volksmund "Bollenien" genannt. Mit der endgültigen Grenzbereinigung Ende der 1950er Jahre gingen Teile des Bollenien-Archivs an die Bundesrepublik zurück, aber General Bolle überließ auch einen Teil seiner Akten einer Privatperson aus Eupen. Diese Privatsammlung wurde 2017 an das Staatsarchiv Eupen übergeben. Das Inventar dieses Archivs ist nun veröffentlicht worden.
In der Nachkriegszeit war Belgien Deutschland gegenüber innerpolitisch gespalten vor der Entscheidung zwischen einer revanchistischen Annexionspolitik versus einer gemäßigten Forderungspolitik. 1946 erlaubten die Briten Belgien eine Beteiligung an der Besetzung und Verwaltung ihrer britischen Zone aber national-konservative Kräfte in Belgien wollten mehr und forderten eine eigene Herrschaftszone im Nachkriegsdeutschland. In den Jahren 1947/48 bildete sich allmählich das Szenario des Kalten Krieges zwischen Ost und West heraus. In dieser Konstellation war es nicht angebracht mit Forderungen nach größeren Gebietsabtretungen zu kommen.
Die belgischen Forderungen beschränkten sich daher auf Korrekturen von „Grenzanomalien“ der Grenzregulierungen von 1920-1922. Letztendlich gab die belgische Regierung sich mit der Abtrennung von dem Aachener Vorort Bildchen, die Orte Leykaul bei Kalterherberg und Losheim und den Weiler Hemmeres zufrieden. Da das Gebiet eine militärische Verwaltungszone war, wurde das Gebiet durch das Verteidigungsministerium regiert. Als Militärgouverneur wurde der aus Hasselt stammende General Paul Bolle eingesetzt. Am 2“. April 1949 trat er die Sonderverwaltung des nur 1350 Hektar großen und rund 700 Einwohner zählenden Grenzstreifens an. Es handelte sich um eine vorläufige Verwaltung in Erwartung einer definitiven belgisch-deutschen Grenzregelung. Die Bewohner des betroffenen Gebietes behielten vorerst die deutsche Staatsangehörigkeit.
Bolle war von der belgischen Regierung mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet, führte aber keine aggressive Assimilierungspolitik. Er war auch nicht unbeliebt und so hieß diese Verwaltungszone in dem Volksmund auch bald Bollenien. Das zu verwaltende Gebiet wurde zu einer Gemeinde mit einem belgischen Bürgermeister zusammengelegt. Der neu ernannte belgische Bürgermeister residierte in Bildchen. Paul Bolle residierte mit seinen direkten Mitarbeitern in Eupen.
In der Regel wurde in Bollenien die belgische Gesetzgebung angewandt. Ein besonderes Problem stellte das Gerichtswesen dar. Es wurde durch die Schaffung eines Sondergerichts gelöst, das in Bildchen tagte. Dieses Gericht bestand aus einem Richter, einem als Staatsanwalt fungierenden Rechtsanwalt und einem Gerichtsschreiber. Der Richter war mit höchsten Vollmachten ausgestattet. Gegen sein Urteil gab es keine Berufungsmöglichkeit. Nach Anweisungen vom Justizministerium in Brüssel wurde Recht gesprochen nach belgischem, deutschem oder Rheinischem Recht. Bei Verkehrsdelikten zum Beispiel wurde die belgische Verkehrsordnung gehandhabt. Bei Miet- und Pachtstreitigkeiten wurden die deutschen Rechtsnormen beachtet.
Das Verhältnis zwischen Belgien und der Bundesrepublik verbesserte sich in den nachfolgenden Jahren entscheidend aber die deutsch-belgischen Verhandlungen über einen Ausgleichsvertrag u.a. über die Berichtigung der deutsch-belgischen Grenze zogen sich jahrelang hin. Erst am 24. September 1956 konnte der Vertrag in Brüssel unterzeichnet werden. Die Ratifizierung deutscherseits erfolgte erst am 6. August 1958, sodass die Grenzanpassungen erst am 28. August 1958 vollzogen wurde.
„Bollenien“ und Teile der Archive gingen zurück an die Bundesrepublik. Nach der Auflösung seiner Behörde hinterließ General Bolle einen Teil seiner Akten einer Privatperson aus Eupen. Erst im Jahr 2017 wurde dieser Privatbestand an das Staatsarchiv in Eupen abgegeben.
Das Inventar
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HERREBOUT Els, Archiv des Militärkommandos der an Belgien abgetretenen Gebiete ("Bollenien") (1886-1981), Reihe Inventarissen Rijksarchief te Eupen no 28, Publikationsnummer 6375, Algemeen Rijksarchief, Brüssel, 2023 (nur elektronisch verfügbar).